Freitag, 25. September 2009

Wilhelm Leibl: Die Spinnerin

„Die Spinnerin“ – Eine Bildanalyse Entstehungsgeschichte und Bildbeschreibung sowie Provenienz und Einordnung des Gemäldes in Leibls Spätwerk 



„Die Spinnerin“ (Abb. 1), wird in der kunsthistorischen Bildrezension als Wendepunkt im Schaffen Wilhelm Leibls angesehen. Dieses querformatige Ölgemälde, auch „In der Spinnstube“ betitelt, wurde 1892 fertiggestellt, wohlmöglich noch vor Leibls Umzug von Aibling nach Kutterling, und besitzt die Maße 65 x 74 cm. Momentan befindet es sich im Besitz des Museums der Bildenden Künste in Leipzig  wo es auch zu sehen ist. Dieses Genrebild wurde schon vor seiner Fertigstellung durch die Vermittlung Schiders von dem Kunstmäzen Laroche–Ringwald in Basel erworben. Hier trifft sich diese Annahme, mit der Erkenntnis von Emil Waldmann, der 1914 eine umfangreiche Monographie über Leibl verfasste. 


Im Jahre 1910 wurde dieses Interieur vom Leipziger Bildermuseum aus der Kunsthandlung Eduard Schultes, Berlin erworben, u.a. mit Geldmitteln der Theobald Petschke Stiftung. Doch soll es um 1894/ 1895 im Besitz von Ernst Seeger gewesen sein. Gemeinsam mit den weiteren Gemälden „Der Zeitungsleser“ (Abb.2), „Bauernjägers Einkehr“(Abb. 3), und den darauffolgenden Küchenbildern, bilden diese Bilder einen Themenkreis, der sich mit der Schilderung des oberbayerischen Dorfmilieus und Darstellung des arbeitenden Menschen intensiv beschäftigt. Insbesondere die arbeitende Frau ist das große Thema in der Altersphase von Leibl.


Der, von Wilhelm Leibl favorisierte, Malstil des Realismus wurde von ihm in höchster Perfektion betrieben. Das Gemälde „Die Spinnerin“ ist, nach einer glücklosen Werkperiode, in der Presse und von dem Publikum nahezu euphorisch aufgenommen worden, was nicht zuletzt an der Tatsache liegt, dass Leibl hier die altmeisterliche Malerei mit impressionistischen Zügen versah. Die Figurenkomposition, die Innenraumperspektive, die verhaltene Farbigkeit erinnern an die niederländische Genremalerei des 17. Jahrhunderts. 






Die Kompositionsmittel und die Perspektive in „Die Spinnerin“


Der Pinselduktus des Künstlers ist frei ausgeführt, anders als bei seinen früheren Werken. Das impliziert in der Kunstbetrachtung einen Weggang Leibls von seiner stringenten Feinmalerei. Es ist anzunehmen, dass, wie es bei Karl Römpler heisst; „[...] zu diesem neuen Aufschwung in der Produktion des Malers [...] die verbesserten äußeren Lebensumstände beigetragen haben. [...], der Kommerzienrat Seeger,[...], sicherte sich die ganze Produktion des Malers[...].“


Die Stofflichkeit, die die Personen und die Gegenstände so realistisch aussehen lassen, ist das herausragende Merkmal des Realismus und Naturalismus. Selbst die Räumlichkeit und die, in dem Gemälde abgebildeten, beiden Bäuerinnen waren während der Bildentstehung real existent. Hierfür sollen die alte Tumin, im Bildvordergrund im Profil dargestellt, und die junge Kögel–Marie, im Bildhintergrund frontal aber mit gesenktem Kopf, Modell gesessen haben. Der Raum ist auch Bildgegenstand für zwei weitere Gemälde gewesen – „Der Zeitungsleser“ (Abb. 2) und „Bauernjägers Einkehr“ (Abb. 3). Doch anders als ein  impressionistischer Künstler, der das zufällige Ereignis wiedergibt und den Moment durch das Einfangen und Festhalten von Licht einfriert, komponiert Leibl die Personen im Raum, so dass sie für die Gesamtkomposition schlüssig sind. Selbst die Raumperspektive ist im Moment nicht augenscheinlich. Sie wird unterschwellig von den Gegenständen im Bildraum unterstützt. 


Doch was nimmt der Betrachter zuerst wahr? Er scheint dieses Bild kaum zu bemerken. Die Farbigkeit ist stark verhalten und abgedunkelt. Das Interieur wird vornehmlich von Ocker –und Brauntönen beherrscht. Diese unscheinbaren Farbwerte werden nur vereinzelt unterbrochen, durch das warme Rot – welches den Bildraum, trotz des sparsamen Einsatzes zu dominieren scheint – der Bluse von der alten Frau im Bildvordergrund. Sie verharrt in der Würde und Gelassenheit des hohen Lebensalters und wendet sich vom Bildbetrachter ab, da sie in der Profildarstellung abgebildet ist. Sie wird gleichsam, dem Bildtitel gemäß, als Spinnerin gezeigt. Das Flachs am Spinnrad bildet mit dem zarten Gelb den oberen Farbpunkt im Bildraum. Ein weiß gepunktetes dunkelblaues Tuch befindet sich am rechten Bildrand, auf einem Hocker ausgebreitet. So verdichten sich die drei Farben zu einem unregelmäßigen Dreieck, das den Blick des Betrachters führen lässt.


Ebenso wird die Hauptperson des Gemäldes in das Bildformat geschickt eingefügt, denn der untere Rockzipfel der alten Bäuerin scheint durch den unteren Bildrand abgeschnitten. Der Künstler bedient durch diesen Kunstgriff die Illusion, dass der Betrachter direkt in das Geschehen blicken kann, als ob sich das Gemälde selbst um ein Fenster handeln würde. Diese Illusion wird durch den ebenfalls abgeschnittenen Flachsballen oben, der Fensterfront im Bildhintergrund, den Tisch im mittleren Teil des Bildes und den Schemel an dem rechten Bildrand erreicht. Da der Künstler diese altmeisterliche Technik verwendet, die auch Holbein und den niederländischen Genremalern bekannt war, kann er den Raum in seinem realistischen Volumen nachempfinden lassen und umgibt die Figuren  mit Atmosphäre.


Mit Hilfe der Raumflucht, die anhand der Ausrichtung der Dielen gut zur erkennen ist, unterstützt Leibl die Räumlichkeit. Die Linien würden  sich allesamt an einem Fluchtpunkt, der nicht zentral im Gemälde liegt, sondern stark am linken Bildrand anzusiedeln ist, treffen. Es scheint, als würde sich die Horizontlinie in Augenhöhe der alten Tumin befinden. Diese Horizontale würde das Gemälde in ein oberes Drittel und in zwei untere Drittel teilen. Man erkennt die gedachte Horizontale, wenn man sich an den Fensterbänken im Hintergrund orientiert. Die Aufsicht auf die linke Bank ist schwerer möglich als bei der rechten Bank. Das kann hier heißen; die Horizontlinie befindet sich über den Fensterbänken. Da jedoch die Aufsicht der beiden Fensterbänke unterschiedlich ist, wird man auf eine zweite Raumflucht aufmerksam gemacht, die von dem Künstler  gekonnt gelöst worden ist. Hier würde sich der Fluchtpunkt rechts außerhalb des Gemäldes befinden. Da die Fensterwand im Hintergrund leicht verkürzt dargestellt wurde, erscheinen uns die beiden Fensterbänke in unterschiedlichen Aufsichten. Unterstützt wird die zweite Raumflucht mittels des, sich links hinter der Tumin angeordneten, Tisches, der ebenfalls nach rechts leicht verkürzt erscheint. Die erste Raumflucht bewirkt eine starke Verkürzung des Tisches. Die zweite Raumflucht wird außerdem durch die leicht verkürzte Bank im Hintergrund erkennbar, wo man ebenfalls die starke Verkürzung der ersten Raumflucht bemerkt. An dem Schrank, der sich an der rechten, sich stark verkürzenden, Wand befindet, wird man sehr deutlich das Zusammenspiel von der Horizontlinie und den beiden  Raumfluchten  bemerken, denn der Schrank hat eine Ansicht von unten her, was man gut am oberen Teil des Möbels sieht. Auch hat dieser Schrank eine Ansicht von oben, die gut am unteren Teil sichtbar ist. Er wird gemäß der ersten Raumflucht sehr stark, und diametral dazu, wegen der  zweiten Raumflucht, sehr schwach verkürzt.


Durch eine weitere, umgekehrte, Dreieckskomposition wird die Blickführung von dem Flachsballen über den Spinnrocken zu dem unteren Bildrand geleitet, wo man von dort aus über den Faltenwurf des bäuerlichen Kleides – das zugleich einen rötlichen Schimmer in sich trägt und das grelle Rot der Bluse der Tumin auffängt und davon ablenkt – und der rechten Elle der Frau über den Spinnfaden zu dem Flachsballen zurück gelangt. Verstärkt wird diese Szenerie mit der häkelnden Kögel–Marie. Darüberhinaus gestaltete Leibl diese Szene so, dass sich der eben genannte Sachverhalt um die Bildmitte verdichtet. Die Bildmitte wird als Kompositionsmittel, zur Teilung des Gemäldes in linke und rechte Bildhälfte, nur andeutet. Mit diesem perspektivischen  und kompositorischen Können, gelingt es dem Künstler, dass dem Betrachter die perfekte Raumillusion zuteil wird. Auch wird der Augenpunkt, wegen der gewohnten Blickgewohnheit der Zentralperspektive, von der Bildmitte  abgelenkt. Dennoch verdichtet sich der Raum zwischen der Profildarstellung der Tumin, der abgewandten Brustdarstellung der Kögel–Marie und dem Flachsballen. Mit Hilfe dieser Komposition  und der Lösung der Linearperspektive gelingt es dem Meister den Blick über das Ensemble streifen zu lassen, damit das scheinbar so unscheinbare Gemälde für den Betrachter interessant bleibt. 


Ein weiterer linearer Gestaltungsaspekt bezieht sich auf das Zusammenspiel der Vertikalen und den Horizontalen im Bild. Die Betonung der Vertikalen, durch die aufrecht sitzende Bäuerin im Vordergrund, den Fensterleibungen, das Gemälde und das Mädchen  im Hintergrund und den Schrank, wird mit horizontal angeordneten Elementen im Raum aufgebrochen; die Fensterbänke unterhalb der Horizontlinie, der Tisch im Mittelgrund und der verkürzte Schrank, dessen Frontansicht von der Horizontlinie abweicht, sie aber leicht unterstützt.


Die Frage nach der Lichtwertigkeit und  Stofflichkeit der Bildgegenstände


In diesem Abschnitt soll nicht nur auf den Lichteinfall und die Lichtquellen eingegangen werden. Möglicherweise kann man den Begriff ´Lichtwertigkeit` auch auf die Farbwertigkeit beziehen, um die Stofflichkeit der Möbel und die abgebildeten Personen besser zu ergründen. Es wird an dieser Stelle auch versucht, die Maltechnik näher zu erörtern, und gefragt, inwiefern der Künstler die skizzenhafte Malweise in dem vollendeten Gemälde erhalten konnte.


Zunächst muss man die Frage klären, wie der Künstler den Lichteinfall im Gemälde inszeniert. Trotz der dunklen, dämmerigen Zurückhaltung, die in diesem Bild vorherrscht, kann der Betrachter zwei Lichtquellen bemerken. Es gibt eine direkte Lichtquelle, die man an dem starken Licht, welches durch die beiden Fenster flutet, erkennen kann. Da der Künstler einen Raum realistisch nachempfindet, wird er ebenfalls den realen Lichteinfall der Sonne für sein Gemälde genutzt haben. Die Verhältnismäßigkeit des Lichtes wird auch technisch gelöst, in dem er an der dunkelsten Stelle des Raumes – die linke Bildecke hinter der Tumin – das Licht kräftig erstrahlen lässt, welches durch das Weiss der Gardine  verstärkt wird. Das Licht wird gleichzeitig durch die Gardine daran gehindert, sich tiefer in den Raum auszubreiten. Hier kommt die zweite, indirekte, Lichtquelle hinzu, welche sich außerhalb des Bildraumes befindet und für den Betrachter unsichtbar bleibt. Anhand des Gemäldes „Bauernjägers Einkehr“ (Abb. 3) kann der Betrachter vergleichen und feststellen, dass der Lichteinfall durch ein Fenster erfolgt. Nur der Widerschein des Lichtes wird in den gemalten Stoffen gesehen; beispielsweise an den unterschiedlichen Glanzwerten der Stuhloberfläche und der Dielen, dem kräftigen Rot der Bluse und dem glänzenden Schimmer der Haut in dem Gesicht und der rechten Hand der alten Bäuerin. Leibl lässt dadurch die stofflichen Merkmale, die reellen Materialien, nachempfinden. Der Dielenfußboden ist - im Gegensatz zu dem Stuhl, der uns klar lackiert erscheint – matt und weist eine unterschiedliche Farbigkeit im Raum auf. An der Stelle der Tumin wird ein leichter rötlicher Ton sichtbar, der mit dem Rot der Bluse, dem rotbraunen Schimmer des Kleides und des Schrankes harmoniert. Einen grünlich -weißen Schimmer hat der Fußboden, der sich zwischen der Tumin und dem Schrank erstreckt. Hervorgerufen wird dieser Eindruck durch das unverhangene Fenster, durch dem das Licht in seiner Natürlichkeit in den Raum einströmt. Die abgestuften Weisstöne an den Wänden im Bildhintergrund lassen die rechte, obere Bildecke heller erscheinen. Vielleicht wird auch hier die Differenziertheit des Lichteinfalls von Leibl dazu genutzt, den Raum aufzuteilen. Er schafft miteinander harmonisierende Farbinseln, die das Rot der Bluse aufgreifen; Schrank, Kleid der Tumin und der Fußboden in der linken Bildecke. 


Wilhelm Leibl lag es offenbar nahe, die Materialität der Bildgegenstände in ihrem Verhalten zu den Lichtquellen realistisch wiederzugeben. Der kompositorische Zweck der unterschiedlichen Farbwerte ist wichtig, doch wichtig für den Künstler war es auch, die Stofflichkeit, so realistisch wie es nur ging, nachzuahmen. Ohne Zweifel dominiert das stofflich nachempfundene Holz und dessen Oberflächenbeschaffenheit, die unterschiedliche Holzarten  zur Frage stellen. Da im ländlichen, oberbayerischen Raum, Waldgegenden und Agrargebiete gleichermaßen vertreten waren und sind, und weil die Dorfbevölkerung sich kein teuer importiertes Holz leisten konnte, bleibt es spekulativ welche Holzarten verwendet wurden. Es wurden sicherlich regionale, heimische Hölzer für die Möbelherstellung benutzt, wie Kiefer, Buche, Eiche, Nuss und Kirsche. 


Die weiße Oberflächenbeschaffenheit der Wände unterscheidet sich klar von der weiß durchscheinenden Gardine in der linken, hinteren Bildecke, weil in der Realität sich diese beiden Materialien physisch ebenfalls unterscheiden. Das Glasgeschirr auf dem Tisch, links hinter der Tumin und der Bierkrug auf dem Schranksockel bleiben anekdotisch, was ihre Präsenz betrifft. Der Künstler zeigt uns die Eigenschaft des Glases an diesen geleerten Gegenständen anhand der Spiegelung des Lichtes. Doch Glas ist auch durchsichtig, wie man es an den Fensterscheiben des rechten Fensters noch erkennen kann, obwohl es nahezu vollständig von dem Flachsballen verdeckt wird. Der Ausblick auf die angedeutete Landschaft bleibt dem Betrachter verwehrt. 


Unbestritten kann man, nicht nur an diesem Gemälde, die Vorliebe Wilhelm Leibls für die Wiedergabe der Stofflichkeit erkennen. Die Detailfreude, mit der er sich damit auseinandersetzt, wirkt weder überzogen, noch oberflächlich. Manchmal kann der Betrachter sich versucht fühlen, Interpretationsansätze, anhand der einzelnen Bildgegenstände und deren Zusammenspiel mit den Kompositionsmitteln, zu finden und zu erörtern. Über den Sinn der Ausstattung  und der Kompositionsmittel in dem Gemälde hinterließ uns der Künstler keine niedergeschriebene Antworten.  Damit wäre jede Interpretation nur spekulativ. Mit Sicherheit war es auch nicht die Absicht des Künstlers die Betrachter mit Interpretationsansätzen und Anekdoten zu strapazieren, oder zu unterhalten. Sein Publikum suchte er in demselben Milieu, worin er sich seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts befand. Die Frage der Maltechnik und der Kompositionsmittel war ihm zweifellos ebenso wichtig, wie der Inhalt; das Abbilden des einfachen bäuerlichen Lebens, das im ausgehenden 19. Jahrhundert genauso schlicht ausfiel wie im 16. Jahrhundert.


Die intensive Auseinandersetzung Leibls mit der Stofflichkeit mag mit der Wahl seiner Maltechnik  einher gehen. Als er die Meisterklasse des Münchener Historienmalers Piloty besuchte, eignete er sich eine Technik des Skizzierens an, die an die `italienischen Barock-Bozzetti` [Bozzetto; ital.; erster künstlerischer Entwurf] erinnert].


Er fertigte Untermalungen mit Tusche an, um die Licht -und Schattenwerte zu erzielen. Darauf erhöhte er in einer Lasurtechnik die einzelnen Körperpartien. Nach seinem Parisaufenthalt schien er völlig unbeeindruckt von dem skizzenhaften Malstil der französischen Realisten Courbet und Millet gewesen zu sein, denn seine vollendeten Gemälde machen die Unterordnung der Pinselstruktur zugunsten des dargestellten Objektes deutlich. Hierbei war die Maloberfläche soweit geglättet, dass sie ein emailartiges Aussehen bekommt.


Erst später kann man einen Wechsel von der Feinmalerei zu dem realistischen, skizzenhaften Stil erkennen. Über die Frage der Maltechnik bei „Die Spinnerin“ ist anzunehmen, dass Leibl einen Weg gefunden hat, seinen Stil umzusetzen, der eine Mischung aus altmeisterliche Feinmalerei und moderner Nass-in-Nass-Technik sein könnte. Die Oberflächenbeschaffenheit der einzelnen Objekte in diesem Gemälde lassen die Vermutung zu, dass Leibl lasierte, nachdem er flüchtig und präzise die Untermalung anfertigte. Die skizzenhafte Ausführung der Bildobjekte in dem vollendeten Gemälde könnte die Spekulation zulassen, dass Leibl das Gemälde in nur wenigen Arbeitsschritten und mit einigen Malschichten fertig stellte. Doch dieser Sachverhalt bleibt unklar. Er selbst verfasste kein theoretisches Zeugnis seiner Arbeitsweise. Man kann nur Vermutungen darüber anstellen, wie ein Gemälde von ihm entstand, wenn man sich eingehend mit den damals vorherrschenden Techniken auseinandersetzt. 




Abbildungsverzeichnis




Abb. 1 Leibl, „Die Spinnerin“ (bez. unten rechts), Abb. nach: C. Lenz, Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag, Köln/München 1994, S. 421.


Abb. 2 Leibl, „Der Zeitungsleser“ (s.o.), Abb. nach: G. Czymmek, s.o., S. 411.


Abb. 3 Leibl, „Bauernjägers Einkehr“ (bez. unten links), Abb. nach: s.o., S.427.


Abb. 4 Leibl, „Die Tumin“ (unbez.), Abb. nach: C. Lenz, s.o., S.428.




Literaturverzeichnis




Czymmek, Götz/ Lenz, Christian (Hg.): Wilhelm Leibl zum 150.Geburtstag. Heidelberg 1994.


Gronau, Georg: Leibl. In: Künstler–Monographien  50. Bielefeld, Leipzig 1901.


Hanfstaengl, Eberhard: Die Dorfpolitiker. In: Werkmonographien zur Bildenden Kunst 33. Stuttgart 1958.


Langer, Alfred: Wilhelm Leibl. 2. überarb. Aufl. Leipzig 1977.


Luft, Peter: Die Bildnismalerei Wilhelm Leibls. Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich. Brugg 1942.


Mayr, Julius: Wilhelm Leibl. Sein Leben und sein Schaffen. 4. veränd. Aufl. Berlin 1935.


Röhrl, Boris: Wilhelm Leibl. Leben und Werk. Hildesheim, Zürich, New York 1994.


Wilhelm Leibl.  Briefe mit historisch – kritischem Kommentar. Gesamtverzeichnis des schriftlichen Nachlasses. Ebenda 1996.


Römpler, Karl: Wilhelm Leibl. Dresden 1955.


Ruhmer, Eberhard: Der Leibl-Kreis und die Reine Malerei. Rosenheim 1984.


Waldmann, Emil: Wilhelm Leibl. Eine Darstellung seiner Kunst. Gesamtverzeichnis seiner Gemälde. Berlin 1914.

Herkulesbild und Luther

Martin Luther als Hercules Germanicus von Hans Holbein d.J.


Ein hilfswissenschaftlicher und kunsthistorischer Vergleich mit Herkulesdarstellungen der italienischen und deutschen Renaissance und dessen Rezeption und Veränderung durch Hans Holbein d.J.




Seminararbeit

im Hauptseminar: Reformation in Kursachsen

an der

Universität Leipzig

Historisches Seminar



eingereicht bei

PD. Dr. Uwe Schirmer

vorgelegt von

Daniel Thalheim




HF: Kunstgeschichte (8)

NF: Mittlere und Neuere Geschichte (8)

NF: Historische Hilfswissenschaften (8)




Leipzig, September 2006



Einleitung


Die vorliegende Arbeit nimmt das Referatsthema über den Buchdruck während der Reformationszeit auf und erweitert dieses ohnehin reichhaltige Thema um den bis jetzt einseitig behandelten Aspekt der Bildsatire über Luther. Insbesondere Hans Holbeins Hercules Germanicus wird oftmals als heroisches Gleichnis nationalen Überschwangs angesehen. Dies zu widerlegen ist nur ein Aspekt dieser Arbeit. Ein weiterer stellt der kunsthistorische, ikonographische Vergleich mit Herkules-Darstellungen der italienischen und deutschen Frührenaissance dar. Griff Holbein auf bereits bekannte Grafiken zurück oder erfand er das Herkules-Thema neu, indem er die mythologische Figur in einen Realitätsbezug setzte.

Die Hetz- und Propagandabilder der altgläubigen Kirchen müssen bei dieser darstellenden Arbeit unberücksichtigt bleiben, da sie sich thematisch nicht im humanistischen Kontext des Herkulesbildes bewegen. Desweiteren wird der zeitnahe Bezug der Illustration Hercules Germanicus zum Lebenslauf Luthers hergestellt.




Buch und Propaganda im Reformationszeitalter


Das Satirebild ist ein wichtiger Bestandteil in der humanistischen und reformatorischen Literatur der Frühen Neuzeit. Satirische Darstellungen gab es freilich bereits im Mittelalter, ebenso die literarische Persiflage in der Prosa ist keine Erfindung der Humanisten und Reformatoren, bzw. der Künstler, die mit ihnen zusammenarbeiteten. Doch die massenhafte Verbreitung von Flugschriften ist ein Phänomen, das in Europa erst um 1500 auftaucht. Somit gilt dies auch für groteske, diffamierende und komische Bilder, die leicht verständlich und mit kurzen Erklärungen versehen, auch dem des Lesens unkundigen die verkürzte Botschaft des textlichen Inhalts nahe brachten. Die Gründe für die Ausbreitung der propagandistischen Flugschriften liegen in der Entwicklung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, aber auch in dem Bedürfnis die kostengünstige Gelegenheit zu nutzen, sich der Welt mitzuteilen.

Die Technisierung schriftlicher Informationen wurde im 15. Jahrhundert vorangetrieben. Johannes Gutenberg entwickelte einen neuen technischen Handapparat, der es mit Hilfe von beweglichen Lettern sowie neuer Arbeitsorganisation ermöglichte, in schnellem Verfahren Schriften zu drucken und zu vervielfältigen.

Hierbei konnten beliebig viele Ablassbriefe, Kalender und Briefe sowie scholastisch-theologische Schriften publiziert werden, die einer breiteren Öffentlichkeit erfahrbar gemacht wurden.

Noch sprachen die Texte die gebildete Gesellschaftsschicht der Lehrer, Theologen und Kleriker an, die auch interessiert waren an diesem neuen Medium, weil sie damit ein Instrument besaßen um ihre eigenen Ideen besser in Umlauf bringen zu können. Mit dem Buchdruck wurde auch die Verknüpfung von Schrift- und Bilddruck ermöglicht. Dieses Verfahren eröffnete zusätzliche Benutzerschichten.

Die Beschränkung der Verschriftlichung auf die klösterlichen Skriptorien fiel weg. Jedermann mit hohem oder niederem alphabetischen Kenntnisstand konnte alles niederschreiben lassen, was er wollte. Der Informationsfluss, der vorher von mündlichen Überlieferungen getragen wurde, übertrug sich nun auf das geschriebene, bzw. gedruckte Wort.


Die Themenkreise erweiterten sich und die Druckerzeugnisse nahmen stetig zu. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde an mehr als 250 Orten in Europa gedruckt. In vielen Städten konkurrierten mehrere Druckereien miteinander. Entsprechend groß war das Bestreben sich in Auflagenhöhen zu übertreffen. So war die Zahl der im 15. Jahrhundert gedruckten Inkunabeln, von gedruckten Handzetteln und Formularen nahezu unüberschaubar. Überall fanden die Menschen diese Druckerzeugnisse vor, in Form von öffentlichen Anschlägen und Bekanntmachungen. Auch politische und ideologische Kräfte bedienten sich rasch diesem Medium, besonders im Zeitalter der Reformation.

Der Buchdruck wurde im frühen 16. Jahrhundert zu einem Massenmedium, worin sich die Reformatoren in ihren Zielsetzungen und Positionierungen verständigten und mit Hilfe der deutschen Sprache einem weitaus größeren Publikum zuwandten, als es beispielsweise die Humanisten mit ihrem klassischen Latein taten. Luthers Flugschriften erlebten einen rasanten Absatz. Alles, worauf Luther stand und worin er sich verschriftlichte, wurde innerhalb kürzester Zeit verkauft. Seine Flugschrift An den christlichen Adel deutscher Nation war innerhalb von fünf Tagen vergriffen. Immerhin erreichte sie in der ersten Auflage eine Höhe von viertausend Kopien. In weiteren fünfzehn Auflagen wurde sie wieder veröffentlicht. Ebenso verhielt es sich mit Luthers Neuem Testament, das in kurzer Zeit mit einhunderttausend Exemplaren vertrieben wurde. Allein der Wittenberger Erstdruck erreichte eine Auflagenstärke von dreitausend Exemplaren, die innerhalb von drei Monaten ausverkauft waren. Es folgten Nach-Testamente in verbesserter Ausführungen.

In der Zeit von 1522-1526 kamen auf ein Wittenberger Originaldruck, fünf auswärtige Nachdrucke dieser Publikation. Die Lutherübersetzung bestimmter Teile des Alten Testaments wurden 1522-1532 als kostspielige Folioformate herausgebracht. Dennoch waren Teilausgaben billiger als die Gesamtausgabe. Die Luthersche Vollbibel wurde innerhalb von 90 Jahren, 1534-1626, vierundachtzigmal aufgelegt.

dafür traten wissenschaftliche Publikationen in der Auflagenstärke weit zurück. Philipp Melanchton brachte es mit seinen erschienenen Schriften auf nahezu 2300 Druckausgaben, die an 70 verschiedenen Orten, wie Lyon und Basel, von 270 Druckwerkstätten veröffentlicht wurden. Allein in Wittenberg konnten seine Schriften 13 unterschiedliche Werkstätten beschäftigen, wo bis 1560 ungefähr 650 Druckausgaben verschiedener Werke erschienen. Luther konnte in Wittenberg drei Druckwerkstätten mit einer Tagesleistung von 3000 Kopien des Neuen Testaments sowie den 1. und 2. Teil des Alten Testaments betreiben.

Die Absatzgebiete Wittenbergischer Drucke dehnte sich von Kursachsen über Böhmen, Ungarn, Siebenbürgen, Polen, Schweden, Norwegen, Dänemark, England, Schottland, Frankreich und bis in die Türkei. Innerhalb von vierzig Jahren wuchs die Zahl der in Wittenberg ansässigen Buchhändler von sechs auf fünfzehn an.

Viel über das Buchdruckverfahren aus der Anfangszeit ist nicht bekannt, da die „Druckergilde“ darauf bedacht war, die neue Technik geheim zu halten. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Technik seit Beginn des Buchdrucks in Europa bis ins frühe 16. Jahrhundert nicht veränderte. Bildliche Darstellungen tauchten erst um 1500 auf.

Die hohen Kosten für Material und Technik mussten kompensiert werden. Denn die technischen Hilfsmittel waren mehr, als die in einer Schreibstube. Außerdem erforderte die neue Technik neue Arbeitsvorgänge, die weitaus komplexer waren als in einem Scriptorium. Bevor Druckerzeugnisse hergestellt werden konnten, musste erst einmal ein hoher Materialaufwand besorgt werden, der wiederum mit hohen Kosten verbunden war. Erst mit dem Bruch der herkömmlichen Verlegerformen durch eine hohe Varianz der Auflagenhöhe konnten die Kosten für die Druckerei wieder eingenommen werden.


Sowohl Abbildungen als auch Beschreibungen berichten von dem drucktechnischen Ablauf und das Personal in einem Typographeum.

Doch erst im 17. Jahrhundert gab es wirkliche Handbücher über die sogenannte ars secreta.

Das handwerkliche Wissen blieb bis dahin Werkstättengeheimnis. Anhand der Abbildungen ist ersichtlich, dass sich die Drucktechnologie bis ins 18. Jahrhundert hinein kaum veränderte. In einer Werkstatt gab es demnach Schriftsetzer, Drucker und Buchbinder. Lehrlinge übernahmen niedere Dienste, wie das Reinigen der Werkzeuge und der Werkstatt. Hinzu kamen noch das Herstellen von Tinte und Lettern.

Gutenberg erfand das Handgießinstrument aus Metall.

Es besteht aus zwei holzverkleideten Metallhälften, die beim Zusammenfügen in ihrem Inneren einen kleinen Hohlraum frei lassen, der mit einer erhitzten Legierung aus Blei, Zinn und Antimon durch einen Gießlöffel ausgefüllt wurde. Eine Matrize schließt die Oberkante des Hohlraums ab und gibt der erstarrenden Metalloberfläche die Form. Dann wurde die Letter geglättet und gestempelt, um es als Eigentum einer betreffenden Werkstatt erkennbar zu machen. Der jeweilige Buchstabe musste erst entworfen werden, was mit Hilfe auf gefettetem Papier geschah. Dieser Rohling wurde zunächst auf eine sogenannte Patrize gepaust, wonach ein Graveur die Konturen des Buchstabens aus dem Metall hervorhob. Erst dann erfolgte die Anfertigung der Matrize mit diesem Buchstaben und der Einsatz der Handgießform. Alle Lettern mussten die selbe Höhe des Letterkegels und des Buchstabens besitzen. Durch die Matrize eines Buchstabens konnten beliebig viele Lettern gegossen werden. Hinterher werden die spiegelverkehrten Lettern in eine Schriftform gesetzt. Diese Setzkästen kamen als Druckform zum Einsatz, indem die darin stehenden Lettern mit Tinte und zwei mit Leder überzogenen Stoffballen an Holzgriffen eingefärbt wurden. Der Ballenmeister oder Einfärber übernahm auch das Reinigen der Setzkästen und Lettern. Die bedruckten Seiten wurden zum Trocknen aufgehängt oder rückseitig bedruckt.

Einen anschaulichen Eindruck in das Innenleben Hans Luffts Druckerei können keinerlei Geschäftsbücher oder andere zeitgenössische Quellen berichten. Doch anhand der Zahl der bei Hans Lufft publizierten Werke der Reformationszeit kann auf die Größe der Druckerei und des Personals geschlossen werden, wenn auch nur annähernd. Es wird vermutet

, dass mindestens sechs Druckerpressen benötigt wurden um den gewaltigen Schriftenausstoß zu bewältigen. Ebenso verhält es sich mit den Personalschätzungen. Ob bei einem Schnellbetrieb wie Hans Luffts Druckerei auch nachts gearbeitet wurde, kann ebenfalls nicht geklärt werden. Viele der bei Hans Lufft arbeitenden Gesellen wurden später auch als eigenständige Buchbinder und Buchdrucker bekannt.

Andere wechselten den Berufsstand. Es bestand in Wittenberg keine Buchdruckerordnung oder irgendein Zunftsrecht für die Buchdrucker. Bei Lufft können sogenannte Zwitterdrucke beobachtet werden, die auch in anderen Druckereien üblich waren. So variieren innerhalb einer Auflage von Schriften mit mehreren Korrekturen und Ergänzungen, die dem Verfasser hinterher eingefallen sind.

Der künstlerische Wert der Drucke hob sich mit Beifügen von Initialschmuck, hochwertigen Titelblättern sowie Illustrationen. Für die Werkstatt Hans Luffts ist u.a. Lucas Cranach d. Ä. Hauptlieferant.


Hans Lufft publizierte gelegentlich bei kleineren Produktionen über seinen eigenen Verlag. Doch ist Lufft nicht als Buchhändler belegbar. Dafür traten die mit dem kurfürstlichen Privileg ausgestatteten Verleger auf, die wie Lufft an den zahlreichen Nachdrucken anderer Werkstätten zu leiden hatten. Ein urheberrechtliches Bewusstsein setzte sich nur langsam durch. Schon Erasmus von Rotterdam dirigierte seine Ausgaben nach expliziten Vorgaben, welche die illegalen Nachdrucke in der Qualität nicht erreichten. Auch Martin Luther trat gegen den sogenannten Wucherteufel der Drucker in seinem an Herzog Heinrich gerichteten Schreiben von 1539 auf.

Ohne Einfluss blieben diese Bitten, den Nachdrucken Einhalt zu gebieten, weil in jeder Reichsstadt und in jedem Territorium andere Privilegien galten. Die kursächsischen Privilegien konnten beispielsweise in Nürnberg nicht greifen.

Auch Namensmissbrauch war nicht unüblich zu dieser Zeit, wo ein gewisser Hans Lufft in Marburg eine Druckerei betrieben haben soll, die nun eindeutig feststellbar von einem ausländischen Drucker geführt wurde.

Als Beweis dienen dazu in Englisch und Niederländisch geschriebene Schriften aus den Jahren 1527 bis 1535, die von dem Marburger Hans Lufft stammen sollen. Auch durch Druckvergleiche wurden Unterschiede beim Lettertyp festgestellt, den der Wittenberger Hans Lufft nie verwendete. Auch ist es umständlich in Marburg eine Druckwerkstatt aufzustellen, wenn Hans Lufft in Wittenberg seine Drucke billiger mit dem Aufdruck des falschen Druckorts Marburg versehen hätte.


Martin Luthers Handeln war im Kontext der Buchherstellung von Anfang an von organisatorisch-geschäftlichen Grundsätzen geleitet. Seit dem Ausbruch der Reformation war er bemüht, das Verhältnis zwischen Autor und Druckerei zu vertiefen und zudem eine drucktechnische Infrastruktur in Wittenberg aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Der enge Kontakt zwischen Autor und Drucker hielt Luther für notwendig, da er oft noch während des Druckvorgangs Korrekturen und Nachträge in seinen Schriften vornahm.

Beredtes Beispiel hierfür ist sein gebrochenes Verhältnis zwischen ihm und dem Drucker Rhau-Grunenberg.

Luther beklagte sich 1521 in einem Brief an seinen Freund Georg Spalatin über Rhau-Grunenbergs schmutzige, nachlässige und wirre Druckerzeugnisse und betrachtete dies als Unzulässigkeit. Offenbar wuchs Luthers Anspruch, wie ein Traktat von ihm auszusehen hat. Auch das Erscheinungsbild sollte für den Inhalt sprechen. Angesichts der Rasanz von nacheinanderfolgenden Veröffentlichungen von Luther und der Wittenberger Universität war Grunenberg dem nicht mehr gewachsen.

Luther erteilte die Druckaufträge keineswegs willkürlich. Der Reformator folgte strikten Grundsätzen zur Auftragsvergabe. So vergab er ganz bestimmten Druckern, die Aufgaben Bibeln und Betbüchlein (Hans Lufft), Gesangsbücher (Joseph Klug), den kleinen Katechismus (Nikolaus Schirenz) sowie den großen Katechismus (Georg Rhau) herzustellen.

Die Spezialisierung der Drucker auf ein ihnen zugewiesenem Aufgabenbereich, ließ sie erfahrener und sicherer im Umgang mit den Texten werden. Sie konnten auch so effektiver arbeiten und schneller veröffentlichen.

Für Luther sollte der Druck sauber, fehlerfrei und ordentlich sein. Gegen diesen Grundsatz verstieß Rhau-Grunenberg.

Martin Luther wollte lediglich, dass seine Drucke stets gleichförmig aussahen und eine niedrige Fehlerquote aufwiesen.

Am 26. September 1525 schrieb der Reformator einen Brief an den Bürgermeister und dem Rat der Stadt Nürnberg.

Dort wurden nämlich Luthers Schriften in geringer Qualität nachgedruckt. Der Stadtrat sollte hierin eingreifen, damit seine offiziellen Wittenberger Drucke nicht Schaden nehmen. Anlass für ihn waren nicht seine Sermone und andere mitunter nachlässig publizierten Schriften, sondern kosten- und zeitintensive Arbeiten. In verschiedenen Wegen versuchte Luther auch die Nachdrucke der Lutherschen Prophetenübersetzungen des Leipziger Druckers Michael Lotther zu verbieten. Der streitlustige Reformator umriss dies in einem Brief an Nikolaus Amsdorf als:


„[...] schendlicher diepstall, dass wir uns schie zu tode gearbeit haben, und unser Drucker die grossen kosten darauff gewant haben, und solt darnach ein solcher sudler und humpler, der es nachdruckt, den unsern vorkommen und unser arbeit und kosst uns so dieplich stelen [...] allein dass er villeicht weniger papier und kleinern druckt nympt und darumb baß feyl geben kan. [...]“



So verlangte Luther, dass Arbeit und Kosten des schriftstellerischen Einsatzes besonderer Sicherung bedarf. Er wollte keine Bevormundung der Wittenberger Drucker, sondern sie vor existenzgefährdenden ökonomischen Schaden schützen. Ein umfangreiches Nachdruckverbot wollte er nicht erreichen, sondern einen Ausgleich der verschiedenen Druckinteressen. Bei wichtigen, kostenintensiven Büchern, wollte der Reformator den Nachdruckern eine Frist einräumen, damit die Originaldrucker ihre Kosten über den Erstvertrieb abdecken konnten.



2. Hans Holbein d. J. in Basel


In den Jahren der frühen Reformation in Kursachsen hielt sich Hans Holbein d. J. in Basel auf. Nachdem er sich 1519 in Zentrum des europäischen Humanismus niederließ, wurde er bald zum gefragtesten Maler in der Stadt. Bereits im September des selben Jahres wurde er in die Malerzunft „Zum Himmel“ aufgenommen und war als Buchillustrator tätig.

Von der Stadt erhielt er ein Jahr später das Bürgerrecht.

Bis 1524 verweilte Hans Holbein in der Stadt, wo sich seit 1521 auch der Humanist Erasmus von Rotterdam aufhielt. In diese Jahre fielen die Aufträge für den Oberrieder Altar, Madonna von Solothurn, Christus am Grabe, acht Szenen der Passion Christi sowie drei Porträts Erasmus’ von Rotterdam.

Darüberhinaus schuf 1519 Holbein die satirische Darstellung des wütenden Mönchs Martin Luther in der ikonraphisch belegbaren Pose des Keulen schwingenden Hercules (Germanicus).

Nach immer länger werdenden Auslandsaufenthalten kehrte Hans Holbein stets nach Basel zurück um 1532 endgültig die Stadt zu verlassen. Vermutlich verringerte sich die Auftragslage seitens der Stadt, so dass er sich aus diesem und auch aus künstlerischen Gründen genötigt sah, Basel den Rücken zu zukehren.

Trotz der ihm angebotenen Rente, die ihm wohl ein sicheres Leben ermöglicht hätte, wies er das Angebot 1532 und 1538 zurück und wandte sich im England Heinrichs VIII. verstärkt der Porträtmalerei zu. Zuletzt lag Holbeins Abgang wohl an der verschärften Durchsetzung der Reformation in Basel 1528, die auch zu Bilderstürmen führte.


In den Jahren 1519-1526 schuf Hans Holbein eine nahezu unendliche Menge an Druckgrafiken. Für den Verleger Johannes Froben zeichnete er Vorlagen für ca. 1300 einzelne Druckstöcke, darunter ungefähr vierzig Kompositionen für Randleisten, fünfzig figürliche Alphabete mit geschätzten eintausend Initialen sowie nahezu zweihundertachtzig Illustrationen.





3. Martin Luther als Herkules in der Bildsatire Hans Holbeins d.J.


Die Grafik Hans Holbeins mit dem Titel Hercules Germanicus

ist eine Gruppendarstellung mit dem Mönch Martin Luther als zentrale Figur. Ursprünglich handelt es sich um einen farbig gefassten Holzschnitt, der 1519 von dem Züricher Drucker Hans Herman nach Entwürfen Hans Holbeins umgesetzt wurde und nur eine von sieben Einblattholzschnitten ist. Dieser Holzschnitt erschien in der Schweizer Chronik von Heinrich Brennwald und Johannes Stumpf. Die Herkules-Geschichte wurde von Holbein auch in seinem Metallschnitt-Alphabet verwendet.

Mit äußerster Energie schlägt der Reformator mit seiner Keule auf seine Kontrahenten ein. Dominikanermönch Hochstraten wird verprügelt. Am Boden liegen die scholastischen Symbolfiguren Aristoteles, Thomas von Aquin, Wilhelm von Ockham, Nikolaus von Lyra, Peter Lombard sowie Duns Scotus. Ein weiterer Mönch flieht angesichts dieser Gewaltorgie in die linke Bildhälfte. An Luthers Schulter hängt ein Löwenfell herunter. Der Papst pendelt als weitere Trophäe wie eine Puppe an dem Nasenring Luthers.

Die Herkules-Rezeption ist ein Paradigma der Renaissance und steht elementar als politisch-ideologische Identifikation für den Auftraggeber und dessen Taten.

Sie kann auch spöttisch angelegt sein. In der kämpfenden Herkules-Figur steckt zugleich der Siegertypus, der in wenig tugendhafter Haltung sich Bedrohungen und Ungerechtigkeiten stellt und diese im Kampf überwindet.

In der Medici-Malerei in Florenz galt Herkules als Sinnbild für die politischen Auseinandersetzungen. Der Kämpfer tauchte stellvertretend für den kriegerischen Machtanspruch der Medici auf.

Kann auch Holbeins Bildidee aus der Florentinischen Bildschöpfung abgeleitet werden? Vermittelt die Satire Holbeins auf eine implizit siegreiche Auseinandersetzung mit seinen Gegnern?

Doch warum Martin Luther als Herkules? Die antike Sagengestalt Herkules musste von den Göttern gestellte Aufgaben lösen um als Gott in den Olymp ziehen zu dürfen. Bevor es dazu kam, erschlug er im Wahnsinn seine eigenen Kinder. Der Überlieferung nach kleidete sich Herkules mit einem Löwenfell, das in der bildenden Kunst variantenreich dem Helden angezogen wurde. Auch Holbeins Luther trägt ein Löwenfell an seiner Schulter. Eine Keule verweist ebenfalls neben der Bezeichnung Hercules Germanicus auf den kämpfenden Götterhelden. Ist die Keule gesenkt, wie bei den Darstellungen von Herkules am Scheidewege, impliziert sie Friedfertigkeit, Müdigkeit und Passivität. Ist die Keule erhoben, gilt sie als Zeichen für Aktivität. Desweiteren gibt es Interpretationen, die diese Keule mit dem Phallussymbol gleichsetzen.

Zwiespältig ist die Holbeins Darstellung allemal. Auf der einen Seite steht der tugendhafte Charakter, der zu kämpferischen Mitteln greift um sich gegen untugendhafte Gegner durchzusetzen. Auf der anderen Seite impliziert Holbein das dumpfe Verhalten, alles und jeden niederzumachen. Sei es in Bezug auf Aristoteles oder Hochstraten. Luthers Streitschriften erscheinen aus der Sicht des humanistisch vorgeprägten Malers in der Tat als argumentative Keule gegen seine Gegner. Vor allem die bereits verstorbenen können sich dagegen nicht wehren.

In der Renaissance erreichte die Herkules-Rezeption ihren vorläufigen Höhepunkt. Sie erfolgte ausschließlich in humanistisch geprägten Kreisen. Herkules stand je nach Situation und Geschichte symbolisch für Tugendhaftigkeit, aber auch für Laster.

In dem Kupferstich Albrecht Dürers dem Herculem zeigt sich ein jung dargestellter Herkules als passiver Held, der in sogenannter Bereitschaftsgeste Stellung zu dem Verhalten der personifizierten Tugend (Virtus) bezieht. Nackt zeigt sich dort Herkules, der deswegen dem wollüstigen Paar zugehörig scheint. Virtus holt in der Darstellung mit einem Knüppel gegen die vermeintlichen Unholde aus. Genau dieses Bild transferiert Holbein in seine graphische Darstellung Martin Luthers als Herkules. Wie auch in anderen kämpferischen Herkulesdarstellungen erscheint Luther-Herkules als personifizierte Tugend. Zumindest übernahm Holbein den ikonographischen Gegenstand der kämpfenden Tugend für seine Satire. Diese Bilderfindung grenzt sich einerseits von den plakativen Spottbildern päpstlicher Schriften ab, wo Luther als Gefolgsmann des Teufels abgebildet wird.

Andererseits erscheint bei Holbein Luther nicht als frommer Mönch, wie es oftmals in der Frühphase der Lutherdarstellungen in den Zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts zu sehen ist.


In anderen Holzschnitten aus der Zeit um 1500 ist Herkules ebenfalls in kämpferischer Pose zu sehen. Darunter auch Hercules und Geryones.

Der Titelholzschnitt zu B. Chelidonius’ Voluptatis cum Virtute discretatio beschreibt einen heranstürmenden Herkules mit einem Wappen vor seinem linken Arm. In seiner rechten hält er die bekannte Keule, die er entschlossen zum Ausholen gegen den barbarischen, doppelköpfigen Feind erhebt. An seiner rechten Seite hängt ein weiteres Wappen mit zwei aufrecht stehenden Fischen, an dessen Flanken neun Kreuze abgebildet sind. Der in Wien 1515 erschienene Holzschnitt scheint auf die Wehrhaftigkeit des Reichs abzuzielen bzw. den Herrscherhauses Habsburg. In dieser Zeit wurde gegen die Türken mobilisiert, aber auch gegen Franz I. von Frankreich, der zu dieser Zeit Italien mit Krieg überzog. Wie bei Holbeins Darstellung des Hercules Germanicus steht der tugendhafte Herkules für eine vereinnehmende Politisierung eines bestimmten geschichtlichen bzw. besonders herausragenden zeitgenössischen Ereignisses.

Ist es denn tugendhaft auf Theologen, Philosophen und Scholastiker einzuprügeln? Offenbar will Hans Holbein etwas anderes verdeutlichen. Scholastische Lehren und ihre Bezugnahme zu Aristoteles, Wilhelm von Ockham und anderer Gelehrter scheinen mit dem Auftauchen Luthers dem Untergang geweiht. Wen Luther da angreift ist der scholastisch gebildete Geistliche, die Kirche, die sich auf diese Lehren beruft und die damit zur Bewegungslosigkeit erstarrte Struktur. Und so entsteht der Anspruch auf die Kirchenkritik Luthers und auch Holbeins, der Luthers Kampf gegen die Kirche verbildlicht. Doch auch der eloquente Reformator wurde mit den scholastischen Lehren erzogen und gebildet. Er muss Aristoteles gelesen, die Schriften Ockhams gekannt und sich mit Duns Scotus auseinandergesetzt haben, bevor er sich trotzig gegen diese scholastische Verkrustung auflehnte. Luther war und ist volkstümlich. Wenn der einst so fromme Mann wie wahnsinnig die Keule schwingt, erscheint er einem aufgebrachten Bauern näher als einem eloquenten Mann. Hans Holbein befreit Martin Luther in Hercules Germanicus von seinen „Lehrern“. Er verwirft demnach die damals noch gängigen Lehren der kirchlichen Institution. Eine weitere – aber spekulative – Deutungsebene wird mit dem wahnsinnigen Herkules geöffnet, der seine eigene Kinder erschlägt. Im Falle Luthers sind es aber die „Väter“ der scholastischen Lehre.

In dem ursprünglich 1519 erschienenen Holzschnitt wird die Maulkette deutlich, die auf das Ketzerverfahren nach der Leipziger Disputation hinweist.

Somit handelt es sich bei der Satire nicht nur um ein komisches Bild, sondern auch um die Schilderung zeitgenössischer Ereignisse, die lebhaft diskutiert wurden. Luther wird auch nicht mit Herkules gleichgesetzt sondern mit ihm spezifisiert, bzw. charakterisiert.

Inwieweit die Spezifisierung in die Kunstgeschichte verweist, kann anhand weiterer Herkulesdarstellungen verdeutlicht werden. Die Darstellung Hercules und Cacus

von Giovanni Andrea Valvassori zeigt Herkules mitten im Kampf gegen Cacus mit erhobener Keule und in Bewegung. Cacus kann sich in sitzender Pose den Angriff mit seiner gegen Herkules gerichteten Keule nur schwach wehren, da er sich bereits mit dem linken Arm abstützen muss. Hier taucht, wie bei Dürers kämpfenden Tugend, die bekannte Pose des wild bewegten Menschen auf. Über die Datierung des Holzschnitts von Valvassori ist nichts bekannt. Sie kann sicher in die ersten beiden Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts eingeordnet werden. Auch der Holzschnitt

eines unbekannten Meisters zu der Szene, wie Herkules Cacus erschlägt weist eine gesteigerte Dynamik auf. Nur dass Herkules sich zur linken Bildhälfte bewegt und im Profil zu sehen ist. Das Gesicht ist wütend verzerrt. Dürer schuf einen weiteren Holzschnitt zu Herkules’ Lebensweg. Die gewalttätige Szene in Hercules und Cacus, dahinter Caca, von der Erinys fraterna verfolgt

besitzt einen ähnlichen Bildaufbau, wie Holbeins Hercules Germanicus. Neben den zahlreichen Bildfiguren können wir bei Dürers Hercules vs. Cacus eine verwandte Panoramaperspektive beobachten, wie bei Holbeins Luthersatire. Neben Bäumen, Landschaft und Architektur, die auch in Dürers Hercules als Paladin... zur Schau gestellt werden, besitzt der Kampf gegen Cacus eine auf dem Gesicht liegende Person. Auch Valvassori bediente sich diesen Ausfüllelementen um die szenische Dramaturgie zu unterstreichen. Bei ihm gibt es keine weiteren Personen, welche die brutale Szene ausfüllen, doch die Dynamik der beiden Kämpfenden ist unübersehbar. Holbein schien, nach diesen Vergleichsbeispielen zu urteilen, den genretypischen Erzählweisen zu folgen. Es ist demnach eine Rezeption und Umformung des Herkuleskampfes gegen Cacus unbestreitbar. Auch die Auseinandersetzung der Tugend gegen das Laster wird bei Holbein übernommen, ohne auf die satirischen, übersteigerten Elemente, wie den am Nasenring hängenden Papst, zu verzichten.

Passend erscheint auch der Vergleich der Kampf Herkules’ mit der neunköpfigen Hydra.

Die niedergeschlagenen Scholastiker und Reminiszenzen des kirchlichen Weltbilds im ausklingenden Mittelalter würden so für das alles verschlingende Ungeheuer stehen.

Hans Holbein d.J. arbeitete im engen Umfeld des Erasmus von Rotterdam. Beide besaßen den selben Verleger. Desweiteren porträtierte der Maler Erasmus dreimal. Außerdem schuf Holbein für die humanistische Schrift Erasmus’ Lob der Torheit (1515) zahlreiche Illustrationen, die einen ähnlichen Spott aufweisen, wie ebenjene ironische Illustration zu Martin Luther.

Da sich nun Holbein als humanistisch geprägten Künstler sah und mit fein ausgeprägtem Humor umzugehen wusste, kann der Grafik Hercules Germanicus eine weitere Sinnebene verliehen werden. Es ist bekannt, wie die römischen Bürger in der Antike während der Völkerwanderungszeit über den Furor Germanicus sprachen. Zwar bezieht sich dieser Vergleich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, dem Wort Germanicus, doch Luthers Schriften schienen zumindest bei den päpstlichen Anhängern einen ebensolchen Schrecken auszulösen, wie das barbarische Gebaren der germanischen Völker während der Plünderungen Roms und anderen römischen Gebieten.


4. Zusammenfassung



Vor dem humanistischen Hintergrund Holbeins erscheint die Satire Hercules Germanicus als feinsinniges und zweideutiges Spottbild auf Luther. Zum einen ist Bewunderung für den Einzelkämpfer aus Wittenberg ablesbar und zum anderen wahrscheinlich Furcht vor weiteren reformatorisch bedingten, aber nonverbalen, Ereignissen, die bildlich weitaus weniger kommentierbar sind als die Leipziger Disputation zwischen Johannes Eck und Martin Luther von 1519. Desweiteren verwob Holbein seine Satire mit dem humanistischen Bild des Herkules’. Dabei vermied er es, den Reformator als Humanisten darzustellen – was sicherlich auch falsch wäre – sondern als streitwütigen Mönch mit direktem Ereignisbezug: Die Leipziger Disputation von 1519, welche von den Humanisten durchweg positiv aufgenommen wurde.

Hans Holbeins Malerei löste sich von der mittelalterlichen Darstellungsweise seines Vaters Hans Holbein d.Ä.

und ging einen eigenständigen Weg. Die Orientierung zur italienischen Renaissance offenbart sich schon im Frühwerk des Sohnes.

Die Betonung des Porträthaften, stofflichen und körperlichen mit Perspektive, goldenen Schnitt sowie die Verbindung von antiker Architektur mit biblischen Szenen

ist völlig zeitgebunden und nichts ungewöhnliches. Interessant für die Antikenrezeption Hans Holbeins d.J. ist die Darstellung Erasmus’ von Rotterdam von 1523.

Dort wird dem Porträtierten eine antik wirkende Stütze mit korinthisch anmutenden Kapitell beigefügt sowie ein Buch Erasmus’ (ERASMUS ROTERO(-DAMI) mit der griechischen Aufschrift HPAKELOI ΓONOI, was soviel heißt, wie: Die Taten des Herakles.

Der nationalistische Blick des 19. Jahrhunderts, die Satire behandele einen nationalen Charakterzug, ist widerlegbar. Weder in Luthers Handeln um 1519 noch in der Darstellung Holbeins, worin Luther als „deutscher“ Herkules mit spöttischem Blick heroisiert wurde, liegt ein nationaler Gedanke. Zwar handelte es sich bei der Ablehnung der päpstlichen Doktrin und Prunk um ein „deutsches“ Phänomen, fand aber bald auch in Spanien, Frankreich, England und Italien mehr oder weniger erfolgreiche Nachahmer.

Die offensichtliche Bewunderung des Wittenberger Mönchs, der sich „allein“ gegen die Kircheninstitution stellt, besitzt gewiss den Hauptanteil an dieser Illustration. Diese Darstellung erschien weder in einer Spottschrift noch als Flugblatt mit diffamierenden Tendenzen, sondern in einer reflektierenden Abhandlung über den Reformator. Die Grafik impliziert das Bild des streitwütigen Luthers, der neben seiner Löwentrophäe auch den Papst als Trophäe mit sich trägt. Die Leipziger Disputation und auch die Verbrennung der päpstlichen Bannbulle 1520 ließen Luther als eine erfolgreich kämpfende Lichtgestalt erscheinen. Als einfacher Mönch besaß Luther offensichtlich erschlagende Argumente, welche die der Scholastiker und der päpstlichen Kirche aushebelte. Die Illustration von Hans Holbein zeigt aber auch, wie populär sein antipäpstliche Haltung in der Eidgenossenschaft war und welche faszinierende Ausstrahlung der Reformator besaß.

Die Tatsache, dass Hans Holbein Basel verließ und in England Heinrichs VIII. tätig wurde, scheint aus Angst vor der Entwicklung, welche die Reformation in zunehmenden Maße einschlug, zusammenzuhängen. Dem Ausgang der Reformation in Basel durch Bilderstürmerei und Brandschatzung ging er aus dem Weg, indem er die nicht minder rigide Herrschaft Heinrichs VIII. akzeptierte, dessen Hofmaler er wurde. Der Humanist Thomas Morus entkam, wie manche Ehefrauen des englischen Königs, dem willkürlichen Tod nicht. Offensichtlich ist anhand Holbeins Schaffen eine gewisse Freiheit ablesbar, die er in Basel nicht besaß.


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